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Gedanken zu Fronleichnam


Die christlichen Kirchen suchen in einer zunehmend säkularen Gesellschaft gemeinsam nach Antworten auf die Frage, was den christlichen Glauben ausmacht und wie er gelebt werden kann. Das Glaubensbekenntnis der frühen Kirche des 4.Jh. ist – trotz Kirchenspaltung und jahrhundertelanger Entfremdung, ja gegenseitiger Ablehnung - ein gemeinsames Fundament des Glaubens der vielen Kirchen. Für die Ökumene ist die „versöhnte Verschiedenheit“ eine Formel, mit der einerseits das Unterschiedliche der Kirchen, aber auch ihre Gemeinsamkeiten zum Ausdruck gebracht werden.
In der katholischen Kirche gibt es eine Reihe von Traditionen und Glaubensäußerungen, die von den anderen, protestantischen Kirchen nicht praktiziert werden. Das Kreuzzeichen ist ein solches katholisches Merkmal, die Heiligen- und besonders die Marienverehrung, vor allem auch die Fronleichnams-Prozession. Katholiken ziehen seit dem 13.Jh. mit dem eucharistischen Brot durch die Städte und Dörfer, um ihren Glauben an die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi in der Hl. Messe öffentlich zu bekennen. Für die Ökumene muss das kein Hindernis sein. Man sieht es auch daran, dass in Gerbrunn auch evangelische Christen ihre Häuser mit Grün und Fähnchen schmücken, um ihren katholischen Nachbarn und Mitbürgern ihre Achtung vor ihrem Glauben zu erweisen. Gelebte, überzeugende Ökumene !
Die Beteiligung an der Prozession ist eher rückläufig, Jugendliche nehmen kaum daran teil. Allerdings ist das Mitmachen von ca. 30 Ministrantinnen und Ministranten in Gerbrunn nahezu einzigartig - Ergebnis solider und zuverlässiger Ministrantenarbeit. Auch dass die Fahnen einzelner Vereine mitgetragen werden, vor allem auch das Ehrengeleit der Freiwilligen Feuerwehr in beachtlicher Mannschaftsstärke - es sind vielleicht nicht nur Zeichen gelebter Tradition, sondern auch Ausdruck des persönlichen Glaubens der Teilnehmer. In der kirchenfeindlichen Nazi-Zeit und in den Jahren der kommunistischen DDR-Diktatur haben mutige Katholiken nicht gezögert, bei der Fronleichnams-Prozession ihren Glauben öffentlich zu zeigen. Ein Ansporn für die Zukunft in gottferner Zeit?
In diesem Jahr gab es bei der Fronleichnams-Prozession in St. Nikolaus etwas Neues: Bruno Kraft, Initiator vieler guter Ideen im örtlichen Obst- und Gartenbauverein, hatte mit mit den Familien Zeier und Trenkamp und Freunden vom OGV einen wunderschönen Blumenteppich vor dem Altar auf dem Kirchplatz gelegt. Tagelang waren sie unterwegs gewesen, um Blumen, Blüten, Gräser, Farn und anderes Grün für den herrlichen, bunten Teppich beizuholen. Ein Glaubenszeugnis besonderer Art!
P. Bernd Wagner dankte dann auch vor dem Schlusssegen - der Altar auf dem Kirchplatz war Tage zuvor von tüchtigen Handwerkern aufgefrischt worden - den Katholiken Gerbrunns für ihre Teilnahme an der Prozession, insbesondere den vielen Messdienern, der Feuerwehr, den Fahnenabordnungen, der Blasmusik "Heiligs Blechle", dem Bürgermeister und Mitgliedern des Gemeinderats, den „Himmelträgern“ und "Teppichlegern", den Lektoren, dem Mesner für ihre besonderen Dienste.
Auf dem Heimweg nach der Prozession ging es mir durch den Kopf: Es ist schön, katholisch zu sein.

Reinhard Kies

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